Einleitung: Schlösser


Zwischen dem 9. und 10. Jahrhundert führten neue Invasionen, die Europa bedrohten, dazu, dass die mächtigen Feudalherren an ihren Gebietsgrenzen Schlösser und Burgen auf den unzugänglichen Anhöhen bauten, sowie lange und wichtigste Straßen für die Kommunikation, die über die Furten bei den Flüssen sowie über enge Täler und Brücken führten.
Die Verteidigung des Eigentums der ländlichen Bevölkerung vor den Überfällen der Invasoren war jedoch nicht die einzige Bedrohung jener Zeit: das weitverbreitete lokale Banditentum, die Auseinandersetzungen zwischen Städten und Dörfern über die angrenzenden Territorien und die Machtstellung und der andauernde Zustand der politischen Krise des italienischen Königreichs ohne Anführer zwang die Menschen dazu, Sicherheit und Schutz in der Nähe der Forts zu suchen. Rund um die Schlösser und Burgen wurden Befestigungsanlagen gebaut - wahre befestigte Dörfer - die in der Lage waren, in ihren Mauern zahlreiche Familien zu beherbergen. Sie bezahlten ihren Unterschlupf und ihre Sicherheit mit der Arbeit, die sie auf dem Großgrundbesitz des Feudalherren verrichteten. Somit verwandelten sich die Schlösser in kleine Dörfer mit eigenen Befestigungsanlagen, mit der Residenz des Großgrundbesitzers, mit den Häusern der Bauern und mit allen weiteren Notwendigkeiten einer Lebensgemeinschaft.
Als sich die vielen Bedrohungen nach und nach verringerten, wurden die Burgen zu Orten, die auf die Autorität der lokalen Herren hinwiesen. Sie verliehen dem Gebiet eine Marke ihrer Macht. Der Grundstein hierfür war die Sicherheit durch die Festung und die Verteidigung jener durch bewaffnete Männer, die sie besetzten.
Im Laufe der Jahrhunderte konzentrierten sich mehrere Funktionen in der Burg: Sie war einerseits Bollwerk und diente zur Verteidigung eines Territoriums gegen Eindringlinge und auch zur Verteidigung gegen innere Aufstände. Sie war auch Lager für Gegenstände und Kulturgut, ein Ort der feudalen Rechtspflege und diente als Unterkunft für Reiter und Truppen der Garnison. Schließlich war sie Residenz des Landesherren seiner Familie, die einen gehobenen Lebensstandard hatten, sowie Vorzeigeort für Freunde und Ehrengäste, die dort des Öfteren nächtigten. Ihre Größe variierte entsprechend der Bedeutung für die die Verteidigung des Territoriums, entsprechend des Reichtums des Herrn und entsprechend der Anzahl der Bediensteten, die dort unterkamen.
Die ersten Burgen bestanden vor allem aus einem rundlichen Verteidigungsgraben, der eine nicht besonders große Fläche umfasste. Darin befand sich die Erde der Ausgrabungen. Aus dieser Erde, die mit Steinen und Holz angereichert wurde, wurden ca. 5 bis 20 Meter hohe Hügel errichtet, meist mit einem Holzturm (Bergfried) an der Spitze. Der Graben, dessen Wände an mehreren Stellen mit Holz versehen wurden um Erdrutsche zu verhindern, wurde auf dem Boden mit scharfen Spitzen versehen, die Angreifern gefährlich werden konnte. Eine Holzbrücke, die entfernt oder angehoben werden konnte, sicherte den Übergang zwischen Innen- und Außenbereich der Festung. In der Nähe des inneren Grabenrandes gab es eine Palisade aus Baumstämmen - oft durch Ecktürmen in ihrer Höhe verstärkt -, wodurch Angreifer von Bogenschützen gezielt in Beschuss genommen werden konnten. Wenn es Letzteren gelungen war, den Graben zu überqueren und über die Palisade zu klettern, mussten sie sich noch der extremen Verteidigung am Turm stellen: großen und starken Männer mit Pfeil und Bogen ausgestattet, die gut mit Nahrung und Wasser versorgt und somit durchaus in der Lage waren, anhaltend Widerstand zu leisten.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Struktur des Schlosses weiter: Holzkonstruktionen ersetzten die massiven Steinmauern, der Burggraben – falls vorhanden – wurde erweitert, wie auch die Zugbrücke. Sie umfasste hohe mächtige Verteidigungstürme, geschützt von starken Toren mit Eisenschiebern. Rund um die Burg, direkt hinter ihren Mauern, entwickelten sich Dörfer, in denen die Familien der Bediensteten und der vielen Handwerker, die auf dem Hof ​​arbeiten, lebten, unter anderem:
Zimmermänner, Maurer, Schmiede, Schlosser, Hersteller von Rüstungen und Waffen, Schneider, Töpfer, Hersteller von Wagenrädern, Fässern und Geschirr, Kleriker für den liturgischen Dienst, Pagen, Wollspinner, Näher, Gemüsebauern, Köche und Küchenaushilfen, Zimmermädchen usw. Im Dorf fanden sie einen kleinen lokalen Markt und andere öffentliche Gebäude. Ställe, Mühlen, Schuppen und Ackergeräte und Wagen befanden sich oberhalb der Felder. In einem Zeitraum von etwa 200 Jahren nach erstmaliger Errichtung von Burgen und Schlössern hatten sich diese Anlagen grundlegend verändert. Sie stellten nun größere stärkere Festungen dar, oft mit Turmanlagen mit runden Ecktürmen (die einen besseren Blick auf die Verteidiger gewährleisten), waren bis zu 30-35 Meter hoch und umfassten drei oder vier Etagen. Der Bergfried wurde oft von einer zweiten Wassergraben im Inneren des ersten umgeben. Durch eine zweite Zugbrücke konnte dieser Innenteil vom Rest der Burg komplett isoliert werden. Wenn die Angreifer in der Lage waren, die äußere Burganlage zu durchdringen, trafen sie im Inneren auf eine zweite, höhere und somit praktisch uneinnehmbare weitere befestigte Anlage. Die Wände der äußeren Anlage wiesen eine Dicke von vier Metern (die des Turms sechs Meter) auf. Sie bestanden aus zwei großen Wände aus beschlagenen Steinen mit einem Zwischenraum zwischen den Wänden, der mit Schutt und Beton angefüllt und durch Teile von Eisenketten verstärkt war.
Es soll angemerkt werden, dass der Begriff „Schloss” in der Region Friaul nicht bloß ein Dorf mit Mauern und einigen militärischen Strukturen bezeichnet, das nebenbei auch teilweise als Sitz für die Adelsfamilie diente, sondern immer eine befestigte Anlage bezeichnet, die wirklich von einer gesamten Adelsfamilie bewohnt wurde und deutliche Militär-und Verteidigungsmerkmale aufweist. Das mächtige und komplexe Verteidigungssystem der Region Friaul war bedeutend für die Verteidigung der Auslässe des Tagliamento, dem Natisone und dem Soca, diente zur Verteidigung gegen die Gefahren aus dem Osten zur Nord-Süd- Kommunikationskontrolle, zum Küstenschutz gegen die vom Meer aus anrückenden Angreifer und zur Verteidigung der Furten im Inneren mit strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung.
Jeder dieser Komplexe ist originell und einzigartig, denn die Anlagen sind nicht Ergebnis eines Projekts, das über mehrere Jahre durchgeführt wurde, sondern Ergebnis eines säkularen Wachstums. Jede Festung wurde gebaut, verändert und – im Fall von Beschädigung oder Zerstörung - zu unterschiedlichen Zeiten wieder aufgebaut und manchmal in Ferienhäuser, Villen oder in Betriebsstandorte umgewandelt. Vor allem im Flachland und in den Hügeln ist diese Transformation zu beobachten. Die in den Bergen gelegenen Burgen und Schlösser verloren ihre Verteidigungsfunktionen mit dem Aufkommen der venezianischen Herrschaft und dem zunehmenden Einsatz von Artillerie. Vor allem aufgrund ihrer schwer zugänglichen Standorte wurden sie oft komplett verlassen.
Viele der Schlösser sind noch immer in Privatbesitz. Andere, darunter die wichtigsten, sind Eigentum des Staates, der Region oder der Gemeinden, in der sie sich befinden. Einige sind bewohnt, andere unbewohnt. Einige haben sich in faszinierende Ruinen verwandelt, noch immer in der Lage tiefe Gefühle der Trauer und Erinnerungen an eine glorreiche Vergangenheit hervorzurufen. Viele haben komplett neue Funktionen angenommen und sind heute Hotels, Weingüter und Museen. In jedem Fall lohnt sich ein Besuch, wenn auch nur der äußeren Umgebung, um die architektonischen Besonderheiten zu schätzen zu wissen und im Idealfall die komplexen historischen Ereignisse, die sich hier abspielten, noch einmal zu erleben.


bibliographische Hinweise


Texte Enza Chiara Lai


G.V. CUSTOZA - M. GRATTONI D’ARCANO (a cura di), Castella, Udine 1996
AA.VV, I castelli abbandonati, Mariano del Friuli 1994
G. VIRGILIO, Andar per castelli. Itinerari in Friuli Venezia Giulia, Tavagnacco 2003, 3 volumi.
G. VIRGILIO, Castelli senza confini, Udine 2009
N.V. RODARO, Castelli del Friuli e della Venezia Giulia, Milano 2000