Die Lagune von Grado
Die Lagune von Grado erstreckt sich von Fossalon di Grado bis zur Insel Anfora und liegt auf Höhe der Flussmündungen des Ausa und des Corno. Sie nimmt eine Fläche von ca. 90 km² ein und ist in einen östlichen Sektor (palù de sora) und einen westlichen Sektor (palù de soto) gegliedert. Beide Bereiche teilt eine Talsperre, die zugleich die Straße zwischen Grado und dem Festland darstellt.
Die Geschichte von Grado ist strikt mit der von Aquileia und dessen Flusshafen verknüpft, der einst aus dem Flussufer von Akilis-Natisone entstand. Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet präsentierte die Lagune damals ein komplett anderes Erscheinungsbild, das vielmehr einem mit Kanälen durchpflügten Ackerland glich. Sie war Teil des großen Hafensystems von Aquileia und bildete den Landeplatz, auf welchem Handelsschiffe ihre Handelswaren auf kleinere Schiffe umschlugen. Diese kleineren Schiffe fuhren dann auf dem Natisone bis zu den römischen Metropolen flussaufwärts.
Als Grado im Jahre 568 nach der Invasion der Langobarden zum Sitz des Patriarchates von Aquileia wurde, nahm es eine Spitzenposition in den Bereichen Politik und Religion ein. Diese wurde durch die Konstruktion der majestätischen Basiliken von Sankt Eufemia (Sant’Eufemia) und Sankt Maria delle Grazie - beide Ende des 6. Jahrhunderts erbaut - weiterhin bestärkt. Die wachsende Bedeutung Venedigs als dominantes Zentrum von Venetien führte dann zum langsamen Niedergang der Insel, die sich letztendlich in einen armen Fischerort verwandelte.
Mit dem „Frieden von Campo Formio“ (1797) trat Grado dann in die Domäne der Habsburger ein und erweckte in einem langsamen, aber konstanten Prozess erneut zum Leben: Anfang des 20. Jahrhunderts war es bereits ein sehr geschätztes Seebad und der Ausflugsort berühmter Persönlichkeiten. So besuchten Personen wie Freud und Pirandello das Seebad, aber auch unzählige Repräsentanten des Habsburger Hochadels hielten sich hier für Bäder und Besuche der maritimen Termen auf. Anschließend wurde der Damm mit der Promenade am Meer und ein charakteristischer, kleiner interner Hafen errichtet. Im Jahre 1936 wurde Grado durch eine Brücke mit dem Festland verbunden und durchbrach damit seine jahrhundertelange Isolation.
Aufgrund der Straße des Erddammes von Grado, die bis zum Festland führt, ist die Lagune von Grado ist in zwei fast voneinander unabhängige Zonen unterteilt: die „Palù de sora“ (östliche Zone) und die „Palù de Soto“ (westliche Zone). Die westliche Zone ist durch ihre Größe und Weite und ihre beachtlichen Wasserräume gekennzeichnet. Demgegenüber weist die östliche Zone tiefere Eingrabungen und Kanäle auf.
Die „Palù de Soto“ hat eine lange Geschichte, von der viele archäologische Entdeckungen und die auf den Hauptinseln erbauten Monumente entlang der Kanäle zeugen.
Im Spätsommer des Jahres 1986 fand ein Fischer aus Marano Lagunare zwischen Grado und Marano Bruchstücke von Amphoren im offenen Meer. Es handelte sich hierbei um die ersten Fundstücke eines antiken, römischen Schiffes (ein Handelsschiff mit einer Länge von ca. 13 Metern und einer Breite von 6 Metern, das aus dem 2. Jhd. n. Chr. stammte). Die sogenannte Iulia Felix war in der Lagune mit ihrer gesamten Ladung an Amphoren versunken, die wiederum Produkte zur Fischverarbeitung enthielten. Die kleine Insel von San Pietro d’Orio weist Spuren eines antiken römischen Tempels auf, der hier einst für den Gott Apollo-Beleno errichtet wurde. Diese Gottheit wurde besonders von den Einwohnern der Stadt Aquileia verehrt. Auf dieser Insel errichteten Benediktiner dann in den folgenden Jahrhunderten ein Mönchskloster, das fast 1000 Jahre aktiv war, dann aber zusammen mit der gesamten Insel an Bedeutung verlor und zunehmend vom Vorrücken des Meeres bedroht war.
Die Insel von Gorgo (früher Santi Cosma e Damiano), die noch immer durch eine alte römische Straße, die Aquileia mit Grado vereinte, mit dem Festland verbunden ist und auf der sich viele Überreste aus römischer Zeit (z.B. Spuren von Böden und Kapitellen von Patrizierhäusern) finden lassen, konzentriert sich auch heute noch auf die Landwirtschaft, sowie auf die Pferde- und Ziegenzucht.
San Giuliano, wo sich im 9. Jahrhundert ein Kloster und viele Überreste römischer Villen befand, gehörte zu den Badeorten („balneari“) vieler reicher Geschäftsmänner aus Aquileia, die hier für einen gewissen Zeitraum den Sorgen und Verpflichtungen der großen Städte entflohen. Große Städte, wie es einst auch Aquileia war, erstickten zu jener Zeit im Sommer förmlich in Hitze und Staub.
Im Pinienwald von San Marco, mit seiner Frische im Sommer, und auf der Insel Ara Storta, einer großen Insel, die sich der Fischzucht widmete, wurden gemäß einer Legende Knochen von Menschen mit einer Größe von über 2 Metern gefunden, die von der Anwesenheit von Kriegern -vermutlich keltischen Ursprung - in früheren Epochen zeugen.
Die Isola dei Beli, mit ihren schönen alten Bäumen und einer wunderbaren Wildnis, ist das Zuhause tausender Vögel. Die Insel hat außerdem eine uralte Geschichte. Sie erzählt von Hexerei, die auf diejenigen zukam, die die Arbeit der Männer störten oder sich erlaubten, in deren Fischfanggebiete einzudringen. Man sagte, dass die alte Bela, klein und faltig und in Schwarz gekleidet, die Macht hatte, andere zu verfluchen und dass diese Flüche auch immer wahr wurden.
Die westlichste Insel ist die Insel Anfora, deren Name sich von der großen Menge an Keramik und Amphoren ableitet, die aus den vielen Schiffswracks vergangener Zeiten stammen. Diese hatte im Jahre 1866 eine große strategische Bedeutung als Grenze zwischen Italien und dem Kaiserreich Österreich-Ungarn. Hier gab es aus diesem Grund auch eine kleine Kaserne. Heute befindet auf der Insel allerdings nur noch der kleine Ort Porto Buso. Die Insel beherbergt außerdem einige verbliebene große Häuser dieses Teils der Lagune, wovon es eines durch Pier Paolo Pasolini im Jahre 1974 mit dem Film „Medea“ in die Kinogeschichte schaffte. In den Häusern, die zum Symbol der Lagune wurden, lebten einst viele Fischer, die diese mit knappen und schlechten Baumaterialien, die sie vor Ort vorfanden, errichteten: aus Holzstöcken und –stämmen in verschiedenen Größen, Schilf, Stroh und Korbwaren. In nur einem einzigen Zimmer befindet sich jeweils eine Feuerstelle („fogon“), ihre Türen sind zum Westen hin gerichtet, um sie vor der „Bora“ (dem kalten Wind aus Richtung Osten) zu schützen.
Die östliche Lagune (palù de sora) stellt die jüngste und diejenige mit geringster Tiefe dar. Nach der Trockenlegung des Gebietes von Fossalon in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, hat sich ihre Oberfläche fast halbiert. Im Vergleich zur westlichen Lagune ist sie weniger reich an Inseln. Eine dieser ist jedoch die vollständig urbanisierte Insel Schiusa, die mit Grado durch zwei Brücken verbunden ist.
Die Hauptinsel ist die Insel Barbana, die seit circa 1500 Jahren eine antikes Heiligtum pflegt und ständig von einer Gemeinschaft von Franziskanern bewohnt wurde. Zu römischer Zeit wurden die Schiffe dort zur „Quarantäne“ aufgehalten bevor sie die Waren in den Hafen von Aquileia bringen durften. Zudem besagt eine Legende, dass hier die erste Wallfahrtskirche für den Patriarchen von Aquileia, Elia, im Jahre 582 erbaut wurde, nach dem Fund einer Mariastatue auf der Insel. Diese Statue wurde damals nach dem Wirbelsturm, der auf Grado wütete, in der Nähe der Unterkünfte der Einwohner von Barbanos (der Ort, der die Insel zu ihrem Namen brachte) und Tiralessos gefunden. Der Maria werden dabei verschiedene Attribute zugeschrieben, wie zum Beispiel Rettungen auf hoher See und in den Lagunen. Seit 1237 geht die Gemeinde von Grado jeden ersten Sonntag im Juli zu einer Prozession an Bord festlich geschmückter Schiffe. Diese fahren zur Insel von Barbana, um dort das antike Gelübde vor der Maria, die damals außerdem das Land vor der Pest rettete, neuabzulegen. All dies geht zurück auf den Patriarchen von Grado, Leonardo Querini, der die Familienväter hier einberief und beschloss, dieses Gelübde vor der Maria abzulegen. Es sieht vor, dass jedes Jahr und in bis in alle Ewigkeit, mindestens eine Person jeder Familie von Grado der Prozession beiwohnt. Dabei sollen sie stets den Weg über die Lagune bis hin zur Insel beschreiten und Maria von Barbana um Vergebung („perdòn“) bitten.
Die Wohlfahrtskirche wurde 1926 restauriert. Schon aus weiter Ferne den hohen Glockenturm erkennen, der zugleich auch als Wiedererkennungsmerkmal der Lagune von Grado dient.
Die Vegetation des Küstengebiets der Lagune wird heutzutage von Kulturpflanzen dominiert. Sie scheint sich außerdem stark zu verändern. Unter den von Menschen eingeführten Arten findet man den zu 4 Meter hohen Riesenschilf, der einst zum Schutz und der Kultivierung anderer Pflanzenarten angebaut wurde. Sehr typisch sind auch die Kieferwälder an der Küste, die hauptsächlich aus Aleppo-Kiefer, Schwarzkiefer und einigen anderen ansässigen Kiefernarten bestehen. Die typischste Pflanze ist hier der Strandflieder mit seinen violetten Blüten, rosa Blättern und starken Wurzeln. Zwischen den anderen Pflanzen in diesem Gebiet erinnert er stark an die Binse, mit der in der Antike Seile zur Verstärkung der Fischernetze gebaut wurden. In den neu entstandenen Gebieten, z. B. den Fischertälern oder Dammabschnitten, findet man häufig den Küstenwermut vor, eigentlich eine typische Pflanze für trockenere Gebiete.
Der Lebensraum in der Lagune von Grado ist außerdem ideal für Dutzende Arten von Wasservögeln, die dort in Zeiten der Zugwanderungen nisten und rasten, z.B. Graureiher, Blässhuhn, Stockente, Krickente, Knäkente, Kormorane und Möwen, aber auch andere seltene Arten wie der Flamingo und die Große Raubmöwe (auch „Skua“ genannt).
Regelmäßige Fährverbindungen und Motorboote erlauben angenehme Exkursionen in dieses Gebiet und geben Besuchern die Möglichkeit, zahlreiche der vielen Inseln der Lagune zu besichtigen.
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